Schlagwörter
autoscooter, berliner hauptbahnhof, dirndl, fontane, gera, gleis, hof, kettenkarussell, regensburg, regensburger dult, tagebuch, vor dem sturm, wittenberg
Im Rahmen des Uni-Kurses „Die Entstehung von Geschichtsbildern: 1813 in der deutschen Erinnerungskultur“ fuhr ich mit KommilitonInnen und zwei Professoren vom 23. Mai bis 26. Mai 2013 nach Regensburg. Es folgt der Kurzbericht des ersten Tages.
6.30 Uhr
Der Wecker klingelt. Mühsam, aber mit Vorfreude im Bauch wanke ich aus meinem Bett und vollziehe mein Morgenprogramm. Die Tasche wird um Zahn- und Haarbürste ergänzt und los geht es gen Berliner Hauptbahnhof.
8.39 Uhr
Ankunft am Berliner Hauptbahnhof. Wie immer überfordert mich das riesige Gebäude hoffnungslos und ich brauche fast 5 Minuten, bis ich Gleis 4, den allgemeinen Treffpunkt finde. A. ist schon da, J., S., F. und P. stoßen kurz darauf dazu. Wenige Momente später fährt auch Herr L. die Rolltreppe hinab. Er strahlt über das ganze Gesicht und freut sich wie ein Kind, dass Berlin es tatsächlich auf die Reihe bekommt, eine funktionierende Rolltreppe zu betreiben. Er kommt aus dem Freuen und Glucksen gar nicht mehr heraus. Für ihn ist der Tag also schon gerettet.
9.00 Uhr
Nach kurzzeitiger Verwirrung haben sich doch noch alle Exkursionsteilnehmer gefunden. (Der Rest der Gruppe stand auf der anderen Seite des Gleises.) Der Ticketautomat wird fleißig gefüttert und dann steigen wir in den ersten Zug Richtung Wittenberg.
10.30 Uhr
Ankunft in Wittenberg. Wir steigen in einen alten Regio Richtung Leipzig ein und ich versuche mühevoll die richtige Sitzposition am abgeschrägten Fenster zu finden.
Die nächsten eineinhalb Stunden passieren wir lustige Ortsnamen wie Bergwitz, Gräfenhainichen, Petersroda und Zschortau. (K. und ich fragen uns, ob Prof. Hahn alle diese Orte schon besucht hat.)
11.50 Uhr
Mit etwas Verspätung kommen wir in Leipzig an. Während der halben Stunde Aufenthalt müssen K. und ich erstmal unserer Natur folgen und besuchen dafür ein McClean im Bahnhofsgebäude. Für einen Euro hat man hier das Vergnügen Toilettenkabinen mit Wartelichtern besuchen zu dürfen. Leuchtet die Lampe grün darf man eintreten. Ich bin kurz beeindruckt, dann fällt allerdings die Wasserspülung aus, die Wartenden fangen an zu murren und meine Bewunderung löst sich in Luft auf. Wir drehen noch eine kurze Runde im Bahnhofsgebäude, besorgen eine kurze Stärkung und bewegen uns dann gen Gleis 10a, welches sich ganz hinten auf dem Gleis 10 befindet und wir somit eine kleine Weile laufen müssen.
12.26 Uhr
Wir haben uns in dem kleinen Zug positioniert, der nur aus zwei Waggons besteht und proppenvoll ist. Mit uns ist eine Truppe junger Mädels eingestiegen, die ein gutes Beispiel dafür abgeben, dass die Leggingsmode verboten gehört. Von Blumenwiese, über asymmetrisches Muster und Lederoptik, bis hin zu Leopardenprint ist alles dabei. Wunderschön! (*Sarkasmusschild*) Ihren Gesprächen nach, sind sie alle Erzieher-Azubinen und unterhalten sich somit munter über stille Treppen und die Frage, ob man unartigen Kindern tatsächlich Weihnachtsgeschenke verweigern kann. Das eine Mädel erzählt, dass sie als Kind Angst vor ihrem Hausmeister hatte, der wohl arabischstämmig und sehr groß gewesen sei. Er hieß Mohamed und ihre Eltern haben ihr immer damit gedroht, sie zu diesem besagten Mohamed zu geben, wenn sie nicht hören würde. Daraufhin regt sich ein anderes Mädchen mit wunderbar schwäbischem Dialekt ganz furchtbar darüber auf und sagt, sie fände das rassistisch und ganz unmöglich. Daraufhin entbrennt eine Diskussion, ob das Vorgehen der Eltern rassistisch sei oder nicht.
Auf der anderen Seite unterhalten sich zwei bayrische Damen über Hartz IV – Ausnutzer und Produktveräppelung. Lustiges Detail hierbei ist eine sächsische Dame, die eigentlich ein Buch liest, aber immer wieder ein kurzes, heftiges Kommentar einstreut.
Die Landschaft wandelt sich langsam von Flach- zu Hügelland und wir rollern in Gera ein.
14.02 Uhr
Wir sitzen im nächsten Zug nach Hof. In unserem Abteil befindet sich auch eine Truppe junger Männer, die sehr nach Skatern aussehen. Auf dem Sitz neben mir, spielt einer von ihnen mit einem Miniaturskateboard herum und probiert augenscheinlich Fingerkunsttücke aus.
14.30 Uhr
Das Klappern des herumspringenden Miniaturskateboards geht mir zunehmend auf den Senkel! (Aber als ob er meine Gedanken gelesen hätte, packt der junge Mann das Spielzeug in dem Moment weg, als ich den Satz aufschreibe.)
14.35 Uhr
Herr L. monologisiert über die Emanzipierung der Frau und erzählt von den ersten Sexfilmen im Kino. Auf der anderen Seite der Sitzgruppe philosophiert Herr K. über Heilige und Kunst. Der Gegensatz ist etwas amüsant!
14.45 Uhr
Jetzt fängt der wieder mit seinem Skateboard an…
15.30 Uhr
Wir sind wieder Mal umgestiegen und sitzen nun in einer, von Italienern konstruierten Bahn, die in abenteuerlichen Schräglagen dahingleitet. Ich versuche Fontanes „Vor dem Sturm“ zu lesen, gebe aber nach 20 Seiten auf. Der Mann ist aber auch detailverliebt…
17.30 Uhr
Ankunft in Regensburg. Endlich! Herr K. bugsiert uns, die wir mit Taschen beladen sind, quer durch Regensburg und zeigt uns die wichtigsten Gebäude schon von außen. Wir werden das erste Mal Zeuge seines unermüdlichen Redeflusses, von dessen Informationsgehalt bei mir allerdings nur Fragmente wie „Bischofssitz“, „Dom“ und „Stadtmauer“ ankommen.
Schließlich erreichen wir unsere Wohnungen und wir 5 Mädels ziehen Lose zwecks Bettenaufteilung. Es gibt ein Doppel- und ein Klappbett, sowie eine Ausziehcouch. M. bekommt das Einzelbett, K. und ich müssen uns die Couch teilen. Diese erweist sich als angenehm hart und somit sind wir zufrieden.
18.00 Uhr
Wir steuern Netto an, um uns mit Belag und Brot für das Frühstück am nächsten Tag auszustatten. Dann begeben wir uns auf die Suche nach einer Lokalität fürs Abendessen und kehren schließlich in die kleine Pizzeria „Da Luigi“ ein. Das Essen ist gut, die Preise moderat, allein ein Poster von „I dolci Signori“ (augenscheinlich eine italienische Band) mutet etwas seltsam an.
20.00 Uhr
Wir (K., J., S., T., St. und ich) besuchen die „Regensburger Dult“, weil J. unbedingt mit der „Todesschleuder“ fahren möchte. Beim Anblick der horrenden Preise, entscheidet sie sich dann aber doch dagegen. Wir bewundern ausgiebig Dirndl und Lederhosen der Einheimischen, nur S. kann sich nicht wirklich damit anfreunden. K. und ich wagen eine Fahrt auf dem Ketten-Karussell, werden dann aber doch etwas von der Höhe und Schnelligkeit überrascht. Spaß haben wir trotzdem. Danach fahren wir alle Autoscooter und ich ziehe mir an beiden Knien blaue Flecke zu. Was tut man nicht alles für das innere Kind!
Vor dem „hahnZelt“ treffen wir M. und B., die mit Herrn K. unterwegs sind und etwas verzweifelt aussehen. Er hingegen ist immer noch aufgedreht und redet in einem Fluss. Wie auch immer er das anstellt.
Wir kehren in das Zelt ein und bestellen Weizenbier und Weißwein. (Bei letzterem schaut die Kellnerin etwas verächtlich drein.) Während wir trinken und etwas schadenfroh die hinfallenden Menschen im „Lach und Freu Haus“ beobachten, dringen intime Geständnisse an die Oberfläche: St. gibt zu, dass ihn die vielen nackten Waden ganz wuschig machen und meint, dass es auf Grund dessen für ihn schwierig wäre, hier zu wohnen.
23.00 Uhr
Es fängt an in Strömen zu regnen. Um uns herum wird das Bierzelt aufgeräumt und wir treten, vom Regen angetrieben, hektisch den Heimweg an. Pitschnass kommen wir in der Wohnung an und fallen nach ausgiebiger Dusche müde in unsere Betten.
– ENDE DES ERSTEN TAGES –